Quine zum Knobeln

Liebe Logiker,

Dies ist eine Knobelaufgabe, oder besser gesagt etwas zum Diskutieren, zum Thema Argumente und Definitionen.  Hier findet ihr einen Ausschnitt aus einem Text von Quine und ein paar Fragen dazu:

Seid Ihr der Meinung, dass in dieser Textstelle ein Argument vorgetragen wird?

Kommt eine Definition vor?

Wenn ja: Wie sieht die Normalform dazu aus bzw. was wird wie definiert?

Den Text lese ich übrigens gerade in einem Seminar. Die Fragen sind auch ungefähr so im Seminar aufgetaucht, stammen also aus dem philosophischen Alltag :)

Ich freu mich auf eure Vorschläge, Grüsse
Laura

Kommentare

  1. Na dann eröffne ich doch mal diese Diskussion. Unten habe ich versucht, den Ausschnitt als Argument aufzufassen und in Normalform zu bringen. Ich bin mir allerdings überhaupt nicht sicher, ob das Ganze wirklich ein Argument ist. Worum geht es:

    - Ein schwarzer Rabe soll das Gesetz bestätigen, dass alle Raben schwarz sind.
    - Ein grünes Blatt soll das Gesetz, dass alle Raben schwarz sind, nicht bestätigen.

    - Lösung: Projizierbare Prädikate („projectible predicates“)

    Projizierbare Prädikate sind Prädikate A und B, deren gemeinsame Umstände alle für die Bestätigung von (Alle As sind Bs) zählen:

    (Vorkommnis A und B) zählt zur Bestätigung von (Alle As sind Bs) und (Alle Bs sind As) (P6/8)
    (Vorkommnis A und B) zählt (indirekt) zur Bestätigung von (Alle Nicht-Bs sind Nicht-A) (P7)

    - Die Gegenstücke A und B (Nicht-A und Nicht-B) müssen nicht projizierbar sein:

    (Vorkommnis Nicht-A und Nicht-B) zählt nicht zur Bestätigung von (Alle As sind B)

    Klar scheint mir, dass der Text eine Definition enthält, und zwar die der „projectible predicates“. Meiner Meinung nach ist diese stipulativ (P5). Das was danach kommt, wirkt zwar wie eine Argumentation für die „projectible predicates“, ist aber doch eher nur Ergänzung der Definition. Der zentrale Punkt des Abschnittes scheint mir K5 („The complement of a projectible predicate need not be projectible.“) zu sein und genau dafür argumentiert er gar nicht richtig; zumindest wirkt es auf mich ziemlich dogmatisch. Weiter komme ich im Moment nicht, aber es gibt sicher noch andere Meinungen :-)

    W. V. Quine: Natural Kinds, In: derselbe, Ontological Relativity and Other Essays, New
    York 1969.

    P1: Each black raven tends to confirm the law that all ravens are black.
    P2: Non-black and non-raven things, should tend to confirm the law that all non-black things are non-ravens.
    P3: Each green leaf is a non-black non-raven.
    K1: Each green leaf tends to confirm the law that all ravens are black.

    P4: But a green leaf should not count toward the law that all ravens are black

    P5: Definition „projectible“ (stipulativ?): Projectible predicates are predicates and whose shared instances all do count, for whatever reason, toward confirmation of (All are .

    P6: A black raven does count toward “All ravens are black.”
    P7: A black raven counts also, indirectly, toward “All non-black things are non-ravens”, since this says the same thing.
    K2: “Raven” and “black” are projectible.

    P8: The green leaf counts toward “All leaves are green” and “All green things are leaves”;
    K3: “Green” and “leaf” are projectible

    P9: A green leaf does not count toward “All non-black things are non-ravens.” nor toward “all ravens are black”
    K3: Therefore “non-black” and “non-raven” are not projectible.

    K4: Only a black raven can confirm “All ravens are black”, the complements not being projectible.

    K5: The complement of a projectible predicate need not be projectible.

  2. Hallo Thomas,
    Danke für Deine Antwort!
    Ich würde Dir in der Analyse, worum es in dem Text geht und worauf er hinaus will, zustimmen.
    Du hast den ganzen Abschnitt ein grosses Argument aufgefasst, aber gleich auch Zweifel angemeldet, ob es überhaupt ein Argument ist. Vielleicht wäre es überzeugender, wenn man nur einen Teil des Textes als Argument liest bzw. mehrere Argumente macht aus dem ganzen Text. Gibt es Vorschläge in dieser Art?
    Wenn man davon ausgeht, dass das Ganze ein einziges Argument ist, finde ich Deine Normalform nicht schlecht. Allerdings glaube ich, dass man in deiner Normalform selber Gründe dafür finden kann, das Argument aufzuteilen, oder nur einen Teil davon als Argument zu lesen. Seht Ihr das auch so?
    Grüsse Laura
    Laura

  3. >“Allerdings glaube ich, dass man in deiner Normalform selber Gründe dafür finden kann, das Argument aufzuteilen“

    Da stimme ich dir vollkommen zu. Es ist sicher sinnvoll, Hempels Argument (P1-K1) separat aufzufassen. P4 ist ja nichts anderes, als die Ablehnung von K1. Und damit ist P4 nicht eigentlich eine Prämisse. Quines eigener Vorschlag wäre dann dieser:

    P1: Definition „projectible“ (stipulativ?): Projectible predicates are predicates P and Q whose shared instances all do count, for whatever reason, toward confirmation of (All P are Q)

    P2: A black raven does count toward “All ravens are black.”
    P3: A black raven counts also, indirectly, toward “All non-black things are non-ravens”, since this says the same thing.
    K1: “Raven” and “black” are projectible.

    P4: The green leaf counts toward “All leaves are green” and “All green things are leaves”;
    K2: “Green” and “leaf” are projectible

    P5: A green leaf does not count toward “All non-black things are non-ravens.” nor toward “all ravens are black”
    K3: Therefore “non-black” and “non-raven” are not projectible.

    K4: Only a black raven can confirm “All ravens are black”, the complements not being projectible.

    K5: The complement of a projectible predicate need not be projectible.

    Es bleibt aber die Frage, ob das nun ein Argument ist. In einem Argument sollen die Prämissen die Wahrheit der Konklusion stützen. Die Prämissen sollen mich von der Wahrheit der Konklusion überzeugen. Auch wenn das Ganze einigermassen einleuchtend klingt, bin ich nur halbwegs überzeugt. Und das hat wohl mit der stipulativen Definition zu tun, die weder wahr, noch falsch sein kann. Was meinst du (oder die schweigende Mehrheit :-) )?

  4. In der Hoffnung, es melde sich vielleicht noch wer aus der schweigenden Mehrheit, sag ich mal noch nichts zu deiner Frage. Nur soviel: Genau dies scheint auch mir die interessante Frage am Text zu sein!
    Ich hab aber noch eine andere Frage und zwar zu Hempels “Argument”. Deine Aufteilung des ganzen Textes ist so wie ich das auch gemacht hätte. Doch stellt sich beim ersten Teil nicht auch die Frage, ob man das als Argument darstellen kann? Der Text hat einerseits eine argumentative Struktur. Andereseits soll ja ein Paradox aufgezeigt werden und nicht wirklich jemand von K überzeugt werden. Wie soll man das also darstellen?
    Grüsse
    Laura

  5. >Andereseits soll ja ein Paradox aufgezeigt werden und nicht wirklich jemand von K überzeugt werden. Wie soll man das also darstellen?

    Mein Vorschlag:

    P1: Each black raven tends to confirm the law that all ravens are black.
    P2: Non-black and non-raven things, should tend to confirm the law that all non-black things are non-ravens.
    P3: Each green leaf is a non-black non-raven.
    K1: Each green leaf tends to confirm the law that all non-black things are non-ravens.

    P4: „All non-black things are non-ravens“ und „All ravens are black“ ist logisch Äquivalent.
    K2: Each green leaf tends to confirm the law that all ravens are black.

    P5: Only a black raven can confirm the law that all ravens are black.
    K3: K2 und P5 sind inkonsistent, also selbstwidersprüchlich

    Meinen ersten Vorschlag habe ich der Verständlichkeit halber um die Prämisse P4 erweitert. Ich denke schon, man muss zuerst von K1 und K2 überzeugt sein, um danach das Paradox zu akzeptieren. Für die Darstellung des Paradoxons habe ich P5 hinzugenommen. P5 und K2 sind zusammen inkonsistenz und daraus lässt sich bekanntlich Beliebiges folgern. Das befriedigt mich allerdings nicht gänzlich, aber weiter komme ich im Moment nicht.

    Inzwischen störe ich mich sehr an Quines Lösung des Problems. Unkontrovers sind sicher die Prämissen P2 und P4 (ausgehend von meinem Post vom 5.5.08). Probleme habe ich hingegen mit den Prämissen P3 und P5 (vor allem P5). Wenn ich nach Gefühl vorgehe, dann kommt so was raus:

    a) Ein Rabe ist schwarz –bestätigt–> alle Raben sind schwarz
    –> richtig
    b) Ein Blatt ist grün –bestätigt–> alle Raben sind schwarz
    –> falsch
    c) Ein Rabe ist schwarz –bestätigt–> alles, was nicht schwarz ist, ist kein Rabe
    –> indirekt irgendwie richtig
    d) Ein Blatt ist grün –bestätigt–> alles, was nicht schwarz ist, ist kein Rabe
    –> indirekt irgendwie richtig

    Quine behauptet hingegen, (d) sei falsch. Mir scheint aber, wenn man (d) als falsch ansieht, dann könnte man mit dem gleichen Recht behaupten (c) sei auch falsch. Aber Quine hält (c) für (indirekt) richtig.

    Ich würde das Problem des Paradoxons an einer anderen Stelle lokalisieren. Quine sagt: „A black raven does count toward “All ravens are black.” Hence a black raven counts also, indirectly, toward “All non-black things are non-ravens”, since this says the same thing.“ Es ist zwar so, dass Ax(Px -> Qx) und Ax(-Qx -> -Px) logisch Äquivalent sind. Das heisst aber noch lange nicht, dass „this says the same thing“. Im ersten Falle wird nämlich eine Aussage über alle Raben gemacht, im zweiten Falle aber über alle nichtschwarzen Dinge. Mich erinnert das Ganze an ein Morgenstern/Abendstern Problem. Könnte man nicht sagen, “alle Raben sind schwarz” (Ax(Px -> Qx)) und “alles, was nicht schwarz ist, ist kein Rabe” (Ax(-Qx -> -Px)) haben (nach Frege) die gleiche Bedeutung (sprich Wahrheitswert), aber nicht denselben Sinn? Was meinst du (oder die schweigende Mehrheit) dazu?

  6. Zum Paradox: Sowas in der Art würde ich auch machen, vielleicht würde ich K3 etwas anders formulieren…
    Zum Deinem Problem mit dem Text möchte ich erst etwas zum Text vorausschicken: Das ganze ist nicht wirklich eine Lösung. In dem Text, aus dem das Zitat stammt, ist es eher ein Teil der Problemstellung. Es ist also nicht verwunderlich, wenn die scheinbare Lösung nicht sehr befriedigend ist. In der ganzen Einleitung des Problems geht es um Induktion und in diesem Kontext betrachtet, gibt es schon einen Unterschied zwischen Fall c) und Fall d). Einmal (c) passiert die logische Umformung erst nach dem Übergang zu einem gesetzesartigen Satz, man formt also einfach den gesetzesartigen Satz (das Ergebnis der Induktion) um. Das andere Mal (d) beruht aber schon der abgeleitete gesetzesartige Satz auf logischer Umformung. Das ist doch schon ein Unterschied, oder? Deshalb sollte es, so wie ich das verstehe, bei c) auch keine Rolle spielen, dass die Äquivalenz “nur” die Wahrheitswerte betrifft, denn bei gesetzesartigen Sätzen zählen eben die Wahrheitswerte.
    Was meinst Du dazu?
    Noch eine kleine pingelige Bemerkung zu a)-d): Du schreibst da jeweils “Ein Blatt ist grün”, korrekterweise müsste man vielleicht sagen “Ein grünes Blatt”, denn es geht ja um gemeinsame Vorkomnisse von “grün” und “Blatt” und nicht um Sätze oder so.

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